Dr. Verena Sagaster ist Brustkrebsspezialistin. Im Interview führt sie aus, warum es so wichtig ist, Therapien trotz Nebenwirkungen nicht einfach abzusetzen.
Dr. Verena Sagaster
Fachärztin für Hämatologie und internistische Onkologie
Foto: ZVG
Welche Nebenwirkungen können im Rahmen der Chemotherapie auftreten?
Die Chemotherapie ist sicher jene Therapie mit den höchsten Nebenwirkungen, wie etwa Erschöpfung, Übelkeit und Erbrechen, Geschmacks- und Geruchsveränderungen oder Schleimhautentzündungen. Erfreulicherweise haben wir heute ausreichend Begleitmedikamente zur Verfügung, um die Nebenwirkungen entsprechend niedrig zu halten.
Welche Nebenwirkungen können im Rahmen der antihormonellen Therapie bei Brustkrebs im frühen Stadium auftreten?
Dieser Teil der Therapie ist sehr wichtig, denn die antihormonelle Therapie bei frühem Brustkrebs ist eine „Sicherheitstherapie“. Das heißt, dass die Patientinnen zum Start der Therapie tumorfrei sind. Diese Therapie muss mindestens fünf, maximal zehn Jahre eingenommen werden, und auch hier gibt es diverse Nebenwirkungen, wie Wechselbeschwerden oder Gelenksschmerzen, um nur einige wenige zu erwähnen.
Warum ist die Einnahme der antihormonellen Therapie dennoch wichtig?
Die Nebenwirkungen beeinträchtigen natürlich die Lebensqualität der Frauen – vor allem von gesunden Frauen. Denn diese Frauen sehen vielleicht nicht den dringenden Bedarf, diese Therapie einzunehmen, weil sie ja eh schon gesund sind und viele Therapien hinter sich haben. Wir müssen sie bekräftigen, diese Therapien dennoch einzunehmen, da sie so etabliert, so standardisiert und studientechnisch so gut abgesichert sind. Warum? Weil sie das Risiko, wieder krank zu werden, deutlich minimieren.
Was raten Sie Patientinnen, die mit den Nebenwirkungen der antihormonellen Therapie nicht zurechtkommen?
Für eine balancierte Darstellung wäre eine kurze, ergänzende Information hinsichtlich der Möglichkeit von Dosisreduktionen oder ärztlich kontrolliertem Absetzen wünschenswert gewesen.
Im Umgang mit Nebenwirkungen unter der antihormonellen Therapie kann – je nach individuellen Vorlieben – auf unterschiedliche Maßnahmen, wie zum Beispiel autogenes Training, Sport, Beckenbodentraining, zurückgegriffen werden. Es ist wichtig, das Gespräch mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten zu suchen, um Wege zu finden, trotz Nebenwirkungen gut leben zu können. Das Hauptanliegen von uns Ärztinnen und Ärzten sollte es sein, die Patientinnen zu motivieren, an der Therapie dranzubleiben, und ihnen die Daten zu zeigen, dass diese Medikamente ein hohes Potenzial haben, das Risiko des Wiedererkrankens statistisch signifikant zu senken.
Welche Nebenwirkungen können bei einer Kombination von antihormoneller und Immuntherapie bei fortgeschrittenem Brustkrebs auftreten?
Es gibt aus der Praxis Erfreuliches zu berichten, denn diese Therapiekombination ist gut verträglich und die Nebenwirkungen sind deutlich geringer als bei der Chemotherapie. Am häufigsten zeigen sich milde Formen von Übelkeit und Durchfall sowie allgemeine Erschöpfung. In der Betreuung von fortgeschrittenen Brustkrebspatientinnen sind aber nicht nur die Therapieplanung und das Nebenwirkungsmanagement zentral, sondern auch die psychoonkologische Begleitung. Es ist eine belastende Situation für Patientinnen zu wissen, dass die Lebenszeit begrenzt ist. Daher ist es wichtig, durch entsprechende Maßnahmen die Lebensqualität insgesamt zu verbessern.
Wie wichtig ist die regelmäßige Einnahme der oralen Therapie auch bei fortgeschrittenem Brustkrebs?
Wir übergeben den Patientinnen die Verantwortung, dass sie ihre Therapien auch einnehmen. Wichtig ist dabei zu informieren, dass es zu Resistenzentwicklungen kommen kann, wenn Patientinnen die Medikamente nicht regelmäßig einnehmen oder absetzen. Es kann sein, dass die Therapien dann nicht mehr wirken können – und das führt zu einem kürzeren Leben.
Was möchten Sie Brustkrebspatientinnen abschließend noch sagen?
Sehen Sie die Therapie als Ihren Freund und nicht als Ihren Feind! Denn Ihre Therapie kann dazu beitragen, Ihnen ein längeres Leben zu ermöglichen.