Kerstin Pirker
Sexualpädagogin
Warum gibt es so wenig Wissen über die Klitoris, das Lustorgan der Frauen? Warum wird sie gar nicht oder nicht korrekt abgebildet?
Das Wissen über die Klitoris ist alt, es wurde aber in den letzten 200 Jahren immer wieder gezielt aus unterschiedlichen (politischen, kulturellen, religiösen …) Gründen aus Anatomie- und Biologiebüchern entfernt. 1998 wurde die Klitoris von der australischen Urologin Helen O’Connell wiederentdeckt.
Während die Mechanismen der Fortpflanzung überall dargestellt werden, wird die sexuelle Lust von Frauen unsichtbar gemacht. Es kursieren noch heute fast ausschließlich nicht korrekte, unvollständige grafische Darstellungen zu der Klitoris. Oftmals ist es auch Unwissenheit über die tatsächliche Größe und Anatomie der Klitoris, wenn falsche Darstellungen weiterverwendet werden. Generell hat sich das Wissen über die Klitoris in den letzten Jahren wieder verbessert
Was macht die Klitoris? Was passiert bei einem Orgasmus im Körper?
Jede Frau ist einzigartig und ihre Klitoris ist es auch. Die Klitoris besteht aus Kopf, Schaft, zwei Schenkeln und zugehörigen Schwellkörpern und misst zwischen sieben und zwölf Zentimeter. Ihre einzige Funktion ist, sexuelle Lust, Erregung und Orgasmus auszulösen.
Bei Berührung richtet sich die Klitoris auf, ihre Schwellkörper füllen sich mit Blut, die Bartholinischen Drüsen befeuchten die Vulva. Die Stimulation der Klitoris wird im Gehirn als Wohlgefühl oder Erregung übersetzt und erlebt. Natürlich ist daran nicht nur die Klitoris beteiligt, die Berührung der Brüste spielt bei vielen Frauen eine große Rolle – ebenso wie Berührungen an anderen Körperstellen. Auch sexuelle Fantasien im Kopf der Frau lösen Lustgefühle aus. Körperliche und geistige Anregung spielen eine gleichermaßen große Rolle bei der sexuellen Erregung.
Unlust im Schlafzimmer? Warum haben Frauen (nicht) immer einen Orgasmus?
Zentrale Voraussetzung, um einen Orgasmus zu erreichen, ist die Art und Weise der körperlichen Stimulation, die die Klitoris einer Frau benötigt. Das kann sehr unterschiedlich sein und sich auch verändern. Die meisten Frauen schätzen die Berührung des Klitoriskopfes, der die höchste Nervendichte aufweist – die ist dort übrigens doppelt so hoch wie die Nervendichte an der Eichel eines männlichen Penis. Die einen Frauen mögen die Berührung der gesamten Vulva, das Gedrücktwerden der inneren Lippen oder die Stimulation an oder innerhalb der Vaginalöffnung. Andere Frauen bevorzugen die Stimulation am Harnröhrenschwellkörper im Inneren der Vagina. Wie auch immer, es ist der gesamte klitorale Organkomplex, der sexuelle Reize überträgt und zum Orgasmus führen kann. Die meisten Frauen finden das zuerst selbst heraus, bevor sie Lust und Orgasmus mit einem Gegenüber erleben wollen oder können.
Der herkömmliche heterosexuelle Geschlechtsverkehr, also Penis-in-der-Vagina-Sex, ist nachweislich keine effiziente Methode, um Frauen zum Orgasmus zu bringen, da die Vaginalwände kaum Nerven haben und die Klitoris dabei meist unzureichend stimuliert wird.
Frauen brauchen zum einen die adäquate körperliche Stimulation, aber auch die Fähigkeit, ihre sexuellen Bedürfnisse zu kommunizieren. Wenn eine Frau nicht sagen kann, was sie wann, wie und wie lange möchte, wird es schwierig, Lust mit einem Gegenüber zu erleben. Auch sich selbst beim Sex mit einem Partner, einer Partnerin zu berühren, ist bedauerlicherweise (oft) ein Tabu.
Über sexuelle Wünsche zu sprechen, erhöht die Wahrscheinlichkeit auf guten Sex enorm!
Dazu gehört auch ein klares Nein gegenüber Praktiken und Wünschen ihres Partners, ihrer Partnerin, die eine Frau als unangenehm, langweilig oder sogar schmerzhaft empfindet. Bei dauerhafter Unlust, unter der die Frau selbst leidet, kann eine Sexualberatung helfen.
Das Frauengesundheitszentrum in Graz bietet Beratungen, Fortbildungen, Vorträge und Workshops rund um die Themen Klitoris und sexuelle Gesundheit von Frauen an.